Aktuelle BAG-BEK-Stellungnahme zum KiTa-Betrieb unter Corona-Bedingungen

Der derzeitige Umgang mit der Corona-Pandemie gefährdet die Gesundheit und die Bildungschancen von Fachkräften und Kindern in der KiTa. Wie unter einem Brennglas werden in der Pandemie die Strukturmängel des KiTa-Systems deutlich und es fehlt an verbindlichen Stufenplänen und geregelten Vorgehensweisen für den Umgang mit Infektionsfällen. Im Anschluss an die erste Stellungnahme zum KiTa-Betrieb unter Corona-Bedingungen hat die BAK-BEK jetzt eine weitere Stellungnahme verfasst und fordert nachhaltige Unterstützung für das System KiTa und Gesundheitsschitz für die dort tätigen Fachkräfte.

Stellungnahme der BAG BEK e.V. zur Situation in Kindertageseinrichtungen im Herbst 2020

26.11.2020

Wiedervorlage: Unzureichender Umgang mit Corona in Kindertageseinrichtungen zu Lasten von Fachkräften und Kindern – Strukturmängel des Systems werden jetzt noch offensichtlicher

Seit dem Frühjahr 2020 hält das Corona Virus nun schon unser Land in Atem. Bereits im Frühjahr hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung (BAG BEK) in der Kindheit e.V. dazu Stellung bezogen. Seither wurden Fortschritte im Umgang mit der Pandemie gemacht und in vielen Bereichen ein Modus gefunden, wie das Leben weiter gehen kann. Gerade in Kindertages-einrichtungen und Schulen wird seither versucht, den Betrieb aufrecht zu erhalten, einerseits, um Kindern ihr Recht auf Bildung zu ermöglichen, andererseits aber auch um Eltern Freiräume zu schaffen, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der Anspruch, die Bildungseinrichtungen offen zu halten, hat jedoch seinen Preis. Es offenbaren sich jetzt Mängel des Systems, die seit Jahren beklagt werden, denen man jedoch von politischer Seite zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Schon vor der Pandemie war das System mit Fachkräftemangel, häufig nicht kindgerechten Personalschlüsseln und mangelnder (digitaler) Ausstattung am Limit. Unter Corona-Bedingungen zeigt sich jetzt überdeutlich die volle Tragweite der Probleme.

In verschiedenen Brandbriefen (z.B. der Paritätische Wohlfahrtsverband, Fröbel-Gruppe, ver.di sowie einzelner Fachkräfte z.B. in der Berliner Zeitung) wurde darauf hingewiesen, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Fachkräfte vielerorts nicht gewährleistet ist und sich der ohnehin schon hohe Personalmangel weiter verschärft. Diese Situation führt dazu, dass eine gute Bildung, Erziehung und Betreuung nicht gewährleistet werden kann und gar an Kindeswohlgefährdung grenzt. Kritische Schwellenwerte im Hinblick z.B. auf die Fachkraft-Kind-Relation, ab denen negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden, Verhalten und die Entwicklung von Kindern zu erwarten sind, werden häufig überschritten. Die verbleibenden Fachkräfte bringt es an den Rand ihrer Kräfte, den sogenannten Regelbetrieb aufrecht zu halten, in vielen Bundesländern ohne personelle, finanzielle oder räumliche Zusatzkapazitäten. Träger und Leiter*innen sind auf sich gestellt und erhalten häufig keine Unterstützung von öffentlichen Stellen im Umgang mit Erkrankungen oder Quarantäne.

 Eine Analyse des DJI unterstreicht, dass die Kitas selbst bei günstigen Szenarien zum einen bedingt durch Personalausfälle und zum anderen durch zu wenig Raum, bereits bei einer Auslastung von 50 Prozent an ihre pädagogisch vertretbaren Kapazitätsgrenzen stoßen (Rauschenbach u.a. 2020).

Vor diesem Hintergrund weisen wir erneut auf die Stellungnahme der BAG BEK e.V. zur (Nicht-) Wiedereröffnung von Kitas vom 24. April dieses Jahres hin, in der wir auf diese Gefahren bereits aufmerksam gemacht haben: 

Um die Fachkräfte zu schützen, müssen Gesundheitsschutz – und Hygienekonzepte mit der Maßgabe erarbeitet werden, kindliche Bedürfnisse und den gewohnten Umgang mit den Kindern möglichst wenig einzuschränken.

Zur Ermittlung potenzieller Kapazitäten für eine verantwortungsvolle Ausweitung der Betreuung sind verschiedene Parameter wie angestrebte Gruppengrößen, angestrebte Fachkraft-Kind-Relationen, verfügbares, nicht zur Risikogruppe gehörendes Personal, verfügbare Räumlichkeiten und Raumgrößen zu ermitteln und miteinander in Beziehung zu setzen. Entsprechende Planungstools werden aktuell entwickelt. Sie sollten bundesweit und trägerübergreifend verfügbar gemacht und eingesetzt werden.

Bereits vorher von vielen Seiten kritisierte Missstände im System der Kindertagesbetreuung wie fehlendes Personal, kleine und zu enge Räumlichkeiten und die Unterfinanzierung des gesamten Systems sind nun erheblich verschärft werden jetzt zur zusätzlichen Belastung, weil sie verhindern, dass eine vollständige Wiedereröffnung unter Berücksichtigung von Hygienestandards zeitnah möglich wird. Dies wird sowohl den Kindern als auch ihren Familien und Fachkräften, aber auch der Wirtschaft und damit der gesamten Gesellschaft schaden. Daher fordert die BAG BEK e.V., wie bereits in den vergangenen Jahren, Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege endlich als systemrelevant für die gesamte Gesellschaft anzuerkennen und entsprechend finanziell auszustatten.“ (BAG BEK 2020)

Die im Frühjahr geforderten Maßnahmen sind nach wie vor aktuell und jetzt noch dringlicher geworden. Kindertageseinrichtungen sind systemrelevant und sollten daher mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet sein, um diese Aufgabe qualitativ hochwertig zu erfüllen.

Es zeigt sich aber, dass die in Aussicht gestellten Planungstools in vielen Bundesländern immer noch nicht verfügbar sind oder keine Anwendung finden. Während für Schulen Konzepte erarbeitet worden sind, die Vorgehensweisen im Fall einer Erkrankung vorgeben, fehlen diese für Kitas häufig.

Wir fordern daher die Länder auf, für alle Kitas verbindliche Stufenpläne und geregelte Vorgehensweisen im Falle einer Erkrankung oder Quarantäne zu erstellen und zu realisieren, um die verbliebenen Fachkräfte zu entlasten und zu schützen, Verständnis bei Eltern und Arbeitgebern zu erzielen und nicht zuletzt den Kindern die frühkindliche Bildung zukommen zu lassen, die ihnen gerecht wird.

Darüber hinaus muss das System auch Coronahilfen durch zusätzliche finanzielle Unterstützung erhalten, damit es seinem Auftrag gerecht werden kann. Die im August 2020 vom Bund in Aussicht gestellte Milliarde muss zeitnah bei den Kitas ankommen – zum einen um den Ausfall von Personal z.B. mit Zeitarbeitskräften zumindest teilweise zu kompensieren und zum anderen um die technische Ausstattung der Kitas zu verbessern. Diese ist notwendig, um Kontakt mit den Familien zu halten, Eltern gut und zeitnah zu informieren und Home-Office (gerade für Leiter*innen) zu ermöglichen.

Bei der Entscheidung darüber, welche Berufsgruppen zuerst geimpft werden sollen, dürfen die pädagogischen Fachkräfte als systemrelevante Gruppe, die größtenteils ohne Maske und ohne Abstand arbeiten, nicht fehlen.

Die Pandemie wird noch andauern – daher ist es jetzt an der Zeit, sich für die kommenden Monate gut aufzustellen und den Trägern und Einrichtungen Unterstützungen zukommen zu lassen, die jetzt wirken und langfristig der Weiterentwicklung des Systems dienlich sind.

 

Für den (erweiterten) Vorstand der BAG BEK e.V.: Tina Friederich, Rahel Dreyer, Anna Jochums, Susanne Viernickel, Petra Strehmel, Elke Alsago, Karsten Herrmann und Friderike Pankoke


Für den Vorstand der BAG BEK e.V. : Tina Friederich, Rahel Dreyer, Susanne Viernickel, Petra
Strehmel, Elke Alsago, Karsten Herrmann und Friderike Pankoke

 

Download Stellungnahme November 2020

Download Stellungnahme April 2020