"Unkonventionelle Lösungen auf den Prüfstand"

Aktuelle Befunde zu Personal, Arbeitsmarkt und Qualifizierung in der Kindertagesbetreuung sowie Entwicklungsperspektiven des Feldes zeigt das zum vierten Mal erschienene Fachkräftebarometer der WiFF auf, das heute in einer digitalen Konferenz vorgestellt wurde. Dabei forderten WiFF-Leiterin Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin und DJI-Direktor Prof. Dr. Thomas Rauschenberg angesichts des Personalmangels auch "unkonventionelle Lösungen auf den Prüfstand" zu stellen.

Zur Einführung konstatierten sie zunächst eine „weiterhin hohe Dynamik im Feld“. Der Erzieher*innen-Beruf sei nach wie vor ein „Engpassberuf“ und bis Mitte des Jahrzehnts würden in den westdeutschen KiTas zwischen 20.000 und 70.000 Fachkräfte fehlen. Hinzu käme noch der Bedarf für die Ganztagsbetreuung. Entwarnung gab es allerdings für den Osten Deutschlands, wo der Personalbedarf zurückgehe und so die Chance auf eine Verbesserung des Personalschlüssels biete.
 

Weitere zentrale Zahlen und Fakten

Die Auswertung der aktuellen Statistiken von 2006 bis 2020 zeigt eine Verdoppelung der Fachkräfte in den KiTas auf. Mittlerweile haben dabei 17% der Fachkräfte einen Migrationshintergrund und 7,1% sind Männer. Die Akademisierung stagniert allerdings seit einigen Jahren bei rund 2.500 Absolvent*innen und konzentriert sich auf die Leitungsebenene.

Trotz massiven Anstiegs der Beschäftigenzahlen hat sich laut Fachkräftebarometer das Qualifikationsniveau in den letzten Jahren nicht verschlechtert – insgesamt sind 68% der Beschäftigten ausgebildete Erzieher*innen auf DQR 6-Niveau und 13% haben Assistenz-Ausbildungen absolviert, die allerdings im Osten so gut wie keine Rolle spielen. Stabil geblieben sind auch die Personalschlüssel, wobei zwischen West- und Ostdeutschland nach wie vor große Unterschiede bestehen.

Im Vergleich zu anderen Berufsfeldern ist das Bruttomonatsentgelt der Vollzeitbeschäftigten in der KiTa überproportional auf gut 3.400 Euro gestiegen, liegt aber noch deutlich unter dem Entgelt für Grundschullehrer*innen.
 

Fokus Ausbildung

Wie Kirsten Fuchs-Rechlin und Thomas Rauschenberg weiter ausführten, hat sich die Anzahl der Erzieher*innen zwischen 2007 und 2019 im 1. Ausbildungsjahr von 20.000 auf 40.000 verdoppelt. Von einem „Attraktivitätsverlust“ könne hier keine Rede sein, allerdings seien hier nun die Kapazitätsgrenzen erreicht – sowohl im Hinblick auf Räumlichkeiten als auch im Hinblick auf die Lehrkräfte an Fachschulen, von denen zu wenige ausgebildet würden.

Eine „große Pluralisierung“ konstatierten sie für die Ausbildungsformate sowohl im Hinblick auf Zugänge wie auch Varianten – von Vollzeit über Teilzeit und berufsbegleitend bis zur vergüteten praxisorientierten Ausbildung, die allerdings nur in einigen Bundesländern eine größere Rolle spiele. Hier äußerte Thomas Rauschenbach auch deutliche Zweifel an, ob dies ein sinnvolles Zukunftsmodell sein können und ob man stattdessen nicht eher den Beruf selbst attraktiver gestalten sollte – zum Beispiel durch Zuschläge. Mit der Pluralisierung unter dem Label der „Erzieher*innen-Ausbildung“, so Fuchs-Rechlin, gehe grundsätzlich aber auch die „Gefahr einer Entwertung“ einher.

Angesichts der Kapazitätsgrenzen der bisherigen Ausbildungsformate und des prognostizierten Personalmangels plädierten Kirsten Fuchs-Rechlin und Thomas Rauschenbach dafür „unkonventionelle Lösungen“ auf den Prüfstand zu stellen, z.B.:

  • Personalmischmodelle mit Aufgabendifferenzierung
  • Seiten- und Quereinstiege auch über (angemessene) non-formale Bildung ermöglichen
  • Non-Formale Bildung stärken und Standards entwickeln (Modularisierung, Zertifizierung)
  • Werkstudierende für Teilzeittätigkeit gewinnen

Ungenutztes Potenzial sahen die beiden Wissenschaftler*innen schließlich auch noch bei Absolvent*innen der Erziehungswissenschaften, die in einigen Bundesländern in den Fachkräftekatalogen noch immer nicht anerkannt würden.

Download Fachkräftebarometer

 

Karsten Herrmann